NACHSTELLUNG, Von der Heydt Museum, Wuppertal 2025





Im Februar 1964 installierten die Kunststudenten Manfred Kuttner, Konrad Lueg, Sigmar Polke und Gerhard Richter gemeinsam eine Auswahl ihrer Werke
im Vorgarten der renommierten Wuppertaler Galerie Parnass, um sich dort für eine Ausstellung zu bewerben. Sie hängten ihre Gemälde an Bäume, stellten sie
auf den verschneiten Rasen und lehnten sie an Gartenzäune. Lueg, Polke und Richter hatten damit Erfolg und erhielten im selben Jahr eine Ausstellung.
Die ungewöhnliche Aktion selbst ging als „Vorgartenausstellung" in die Kunstgeschichte ein, während die Künstler danach unterschiedliche Wege einschlugen.
Die Künstlergruppe KONSORTIUM (Lars Breuer, Sebastian Freytag und Guido Münch) nähert sich der Aktion aus heutiger Perspektive und behandelt in der eigens für das Von der Heydt-Museum entwickelten
Installation Themen, die damals wie heute für Künstler relevant sind: Selbstvermarktung, Karrierewege, Existenzängste und die Rolle des Kunstmarktes.
Die titelgebende Videoarbeit „Nachstellung" zeigt eine rückwärts abgespielte Autofahrt von der ehemaligen Galerie Parnass zur Kunstakademie Düsseldorf, kombiniert mit Auszügen aus Interviews mit
den Nachkommen der ursprünglichen Künstler. Die Ton-Bild-Schere erzeugt dabei eine Spannung, die die Betrachtenden aktiv herausfordert: Wer spricht hier eigentlich? Und worüber? Befinden sich die Sprechenden im Auto?
Reden sie miteinander oder handelt es sich um innere Monologe? Statt eines linearen Rückblicks entsteht eine Atmosphäre zwischen Erinnern und Entgleiten.
Eine Installation aus 40 einfarbigen Gemälden repräsentiert die vier ursprünglichen Künstler. Die Maße beziehen sich auf die Werke aus der „Vorgartenausstellung" und basieren auf Recherchen anhand
von historischen Fotografien. Einige Werke lassen sich jedoch nicht eindeutig bestimmen, sodass Lücken bleiben. Der Bilderstapel verweist somit auf die Fragilität von Rekonstruktion:
Was bleibe übrig, wenn die Bilder verschwunden sind?
Drei Vitrinen eröffnen mit einer assoziativen Zusammenstellung von Materialien und Objekten neue Bedeutungsräume: Die erste Vitrine beinhaltet Artefakte zur „Vorgartenausstellung": Das Modell des Opel-Blitz-Transporters
verweist auf den Transport zur Galerie Parnass, eine Minox-Kamera erinnert an Fotografien des Galeristen Rolf Jährling, der die im Garten präsentierten Werke dokumentierte, weitere Fotos verweisen auf die resultierende
Ausstellung in der Galerie Parnass, den Verkauf eines Kunstwerks an das Wuppertaler Sammlerehepaar Gustav Adolf und Stella Baum und den Abtransport.
Der Filmstreifen, der im Zuge der Präsentation durch Rolf Jährling entstand, findet sich vergrößert als Wandarbeit hinter den Vitrinen. Die zweite Vitrine adaptiert Sigmar Polkes „Vitrinenstück" von 1966, das auf einem
Foto in einer aktuellen Präsentation zu sehen ist. Ein Katalog der Documenta 1, eine Streichholzschachtel der ZERO-Stiftung, zwei Unterteller - einer davon mit grünen Erbsen - sowie ein Stück Leinwand in einer gepunkteten
Papiertüte fordern auf, die Konstruktion von Wahrheit, Kontext und künstlerischer Autorität selbst zu hinterfragen - ganz im Geiste von Polkes ironischer Kritik. Alle Vitrinen stehen symbolisch für die Dynamiken, die an der
Umwandlung von künstlerischen Fakten in Kunstgeschichte mitwirken, und führen damit auch den Mechanismus der Wert- und Sinnschöpfung von Kunst vor. In der dritten Vitrine zeigt sich das Endprodukt dieser Entwicklung.
In lapidarer Weise werden vier Werkverzeichnisse der Künstler präsentiert, die jedoch zu unterschiedlichen Zeiten erschienen sind.
Das Schaudepot im I. Obergeschoss des Von der Heydt-Museums macht sichtbar, was sonst nur zu erahnen ist: die Vielfalt und Tiefe der Sammlung. Für die Ausstellung wurden drei Gemälde ausgewählt, die von den Künstlern der historischen
„Vorgartenausstellung" stammen: Konrad Luegs „Boxkampf" (1964), das 1965 von der Galerie Parnass angekauft wurde, Sigmar Polkes „Graben zwischen Theorie und Praxis" (1998) und Gerhard Richters „Scheich mit Frau" (1966).
Anders als Polke, Richter und Lueg ist Manfred Kuttner im Schaudepot nicht vertreten - ein Hinweis auf seinen frühen Rückzug aus der Kunstszene zugunsten seiner Arbeit in der Werbebranche. Erst Jahrzehnte später wurde sein
farbintensives Frühwerk als eigenständige künstlerische Position neu entdeckt. In der konzentrierten Präsentation eröffnen die drei Werke nicht nur individuelle Bildwelten, sondern veranschaulichen ihren Verlauf vom Atelier über die
„Vorgartenausstellung" bis in das Von der Heydt-Museum und machen zugleich die nachhaltigen Folgen der historischen Ausstellung sichtbar.
Entwickelt mit der Anna Polke Stiftung und unterstützt von der Kunststiftung NRW